Die Richtung der Energiepolitik verändert sich
Mit dem jüngsten Beschluss des Koalitionsausschusses nimmt die Bundesregierung den nächsten großen Umbau des Stromsystems in Angriff. Kern des Plans ist ein neuer Kraftwerkspark, in dem acht Gigawatt neue Gaskraftwerke stehen sollen, die im Ernstfall bis zu zehn Stunden am Stück laufen können.
![]()
1. Warum Speicher plötzlich im Mittelpunkt der Kraftwerksstrategie stehen
Diese Kraftwerke sollen einspringen, wenn Wind und Sonne nicht genug liefern. Doch inzwischen stellt sich die Frage, ob diese Rolle überhaupt noch zwingend Gas vorbehalten sein muss. Immer mehr Stimmen verweisen darauf, dass auch 10-Stunden-Batteriespeicher diese Funktion übernehmen könnten.
Der Streit geht weit über technische Details hinaus. Entscheidend ist, welche Technologie sich langfristig durchsetzt und welche Investitionen für ein klimaneutrales Energiesystem wirklich sinnvoll sind. Klar ist: Der politische Druck, fossile Anlagen durch erneuerbare Alternativen zu ersetzen, wächst. In diesem Zusammenhang gewinnen Speicherlösungen zunehmend an Gewicht.
2. Neue Ansätze zur Versorgungssicherheit
Viele Energieexperten halten große Batteriespeicher längst für weit mehr als eine Option zur Spitzenlast-Abdeckung. Systeme, die Energie über zehn Stunden hinweg bereitstellen können, gelten mittlerweile als ernstzunehmende Kandidaten für kommende Ausschreibungen. Damit sie ihre Rolle tatsächlich übernehmen können, müssten allerdings klare Rahmenbedingungen geschaffen werden – insbesondere bei Förderstrukturen, Genehmigungen und Marktmechanismen.
Christian Schäfer von der Analyseplattform Regelleistung Online sieht das Potenzial klar: „Wenn Politik und Marktmechanismen zusammenpassen, ist ein 10-Stunden-Speicher kein technisches Wunderwerk mehr, sondern eine Frage der richtigen Rahmenbedingungen. Es geht nicht um die Frage, ob Speicher leistungsfähig genug sind, sondern darum, ob wir ihnen in den Ausschreibungen zutrauen, das zu leisten, was man bisher automatisch den Gaskraftwerken zuschreibt“.
3. Warum 10-Stunden-Speicher immer realistischer werden
Die wirtschaftliche Entwicklung spielt den Speicherprojekten in die Karten. Sinkende Batteriepreise senken die Investitionskosten, während die Nachfrage nach flexibler Leistung steigt. Analysen deuten darauf hin, dass große Speicheranlagen Anfang der 2030er Jahre ohne dauerhafte staatliche Zuschüsse auskommen könnten. Zwar wären die Anlagen größer als gängige Projekte, doch ihre Wirtschaftlichkeit hängt vor allem vom Verhältnis zwischen Kapitalkosten und nutzbaren Einspeisezeiten ab.
Gleichzeitig steigt der Anteil erneuerbarer Energien im Netz stetig an. Immer häufiger gibt es Zeiten mit überschüssigem Ökostrom, den Speicher aufnehmen und später gezielt wieder abgeben können. Genau an diesen Punkten werden 10-Stunden-Batterien interessant: Sie könnten Lastlücken schließen, ohne fossile Energie zu benötigen.
4. Lösungen für die Kostenfrage
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, warum Speicher in Behörden, Unternehmen und Analysebüros hohe Aufmerksamkeit bekommen. Während neue Gaskraftwerke nach letzten Berechnungen Förderkosten jenseits von 600 Euro pro Kilowatt verursachen, fallen die kalkulierten Kosten für Speicherprojekte in vielen Modellen niedriger aus. Über die gesamte geplante Leistung betrachtet, würde dies Milliardenbeträge einsparen.
Speicher können zudem Einnahmen über mehrere Marktsegmente erzielen: Regelenergie, Stromhandel und Arbitrage zwischen teuren und günstigen Stunden. Wie stabil diese Erlöse langfristig bleiben, ist allerdings offen, weil das Stromsystem mit jedem weiteren Zubau erneuerbarer Energien dynamischer und weniger vorhersehbar wird.
5. Betrachtung der Stärken und Schwächen
Zu den größten Stärken von Batteriespeichern gehört ihre Reaktionsgeschwindigkeit. Sie puffern Netzschwankungen innerhalb von Sekunden ab und können den Ausgleich erneuerbarer Energien erheblich verbessern. Besonders wertvoll wird dies in einem Stromsystem, das stark von Wetter und Tageszeit abhängig ist.
Trotzdem liegt ihre Schwäche auf der Hand: Wenn über mehrere Tage kaum Wind und Sonne verfügbar sind, kommen selbst große Speicher an ihre physikalischen Grenzen. Für solche Zeiträume bleiben Langzeitspeicher wie Wasserstoff oder andere chemische Speicher unverzichtbar. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind die Marktbedingungen. Die Erlöse vieler Speicherprojekte hängen stark vom Strompreisgefälle und dem Bedarf im Regelenergiemarkt ab.
6. Ausschreibungen sollten flexibler werden
Aktuell setzt die Kraftwerksstrategie auf eine Kombination aus Gaskraftwerken und Speichern. Doch immer mehr Stimmen aus der Energiebranche fordern offene Ausschreibungen, bei denen alle Technologien gleichberechtigt antreten können. Wenn Speicher kostengünstiger sind, sollen sie den Zuschlag erhalten. Eine solche Neuausrichtung würde nicht nur den Wettbewerb stärken, sondern auch den Ausbau klimafreundlicher Alternativen beschleunigen.
Viele Beobachter kritisieren das derzeitige Verhältnis zwischen geplanter Gaskapazität und vorgesehenem Speicheranteil als unausgewogen. Mit wachsendem Anteil erneuerbarer Energien verschieben sich die Anforderungen stetig. Deshalb sei es nötig, Ausschreibungsdesigns regelmäßig zu überprüfen und flexibler zu gestalten.
7. Was folgt daraus?
Die Antwort auf die Herausforderung, ob 10-Stunden-Batterien künftig das Rückgrat der Versorgungssicherheit sein können, hängt von politischen Entscheidungen, Marktpreisen und technologischem Fortschritt ab. Sollten die Speicherpreise weiter fallen und Ausschreibungen technologieoffen gestaltet werden, könnten Batteriespeicher deutlich stärker ins Zentrum der Kraftwerksplanung rücken.
Ganz ohne ergänzende Technologien wird es dennoch nicht gehen. Für sehr lange Flauten und außergewöhnliche Lastspitzen braucht es zusätzliche Lösungen. Wahrscheinlich bleibt daher ein Energiemix aus erneuerbaren Energien, Speichertechnologien und einem begrenzten konventionellen Back-up der praktikabelste Weg, das Stromsystem stabil zu halten.


