Milliarden-belastung droht für Stromkunden und Industrie
Die Pläne zur Einführung eines Kapazitätsmarkts sorgen für Diskussionen: Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) warnt davor, dass ein solches Modell enorme Zusatzkosten verursachen und die Energiewende in die falsche Richtung lenken könnte. Nach aktuellen Berechnungen könnte der Marktmechanismus über 15 Jahre hinweg bis zu 435 Milliarden Euro verschlingen – bezahlt von Verbrauchern, Unternehmen und der gesamten Volkswirtschaft. Die Kritik kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Energiepreise ohnehin unter Druck stehen und viele Akteure in der Branche mehr Planungssicherheit fordern.
1. Mehr Sicherheit oder mehr Kosten?
Ein Kapazitätsmarkt soll sicherstellen, dass auch in Spitzenlastzeiten genug Strom verfügbar ist. Kraftwerksbetreiber würden dafür vergütet, Kapazitäten bereitzuhalten – unabhängig davon, ob sie tatsächlich liefern. Der Gedanke: Stabilität gegen Unsicherheit durch wetterabhängige Einspeiser.
Doch laut BNE wird dadurch ein kostspieliger Parallelmarkt geschaffen, der falsche Anreize setzt. Anstatt Innovation zu fördern, werde die veraltete Infrastruktur weiterfinanziert. Ein solcher Schritt könne langfristig sowohl wirtschaftlich als auch klimapolitisch nach hinten losgehen. Die Folge: ein Markt mit Doppelstrukturen, in dem neue Lösungen ausgebremst und alte Technologien künstlich am Leben gehalten werden.
2. Milliardenkosten mit langfristiger Wirkung
Die vom BNE vorgestellten Szenarien zeichnen ein klares Bild: Ein vollständiger Kapazitätsmarkt würde bis zu 435 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten verursachen, aufgeteilt über 15 Jahre. Selbst ein begrenzter Mechanismus mit ausgewählten Kapazitäten hätte noch ein Preisschild von rund 73 Milliarden Euro.
Diese Summen würden nicht nur den Strompreis für Endverbraucher in die Höhe treiben, sondern auch die Produktionskosten für Industrie und Mittelstand erhöhen. In Zeiten wirtschaftlicher Anspannung könnte das zu Investitionsrückgängen und Standortverlagerungen führen. Der BNE warnt, dass damit auch die Akzeptanz der Energiewende gefährdet werden könnte – denn wenn die Kosten explodieren, verlieren sowohl Haushalte als auch Unternehmen das Vertrauen in die Reformfähigkeit des Energiemarkts.
Dazu die Meinung von Robert Busch, dem Geschäftsführer des BNE: „Ein Kapazitätsmarkt setzt auf Stillstand statt Fortschritt. Was wir brauchen, ist ein flexibler, moderner Strommarkt – kein teures Relikt alter Strukturen.“
3. Alternative: Flexible Märkte und technologische Offenheit
Der BNE schlägt vor, den Fokus auf flexible und marktorientierte Lösungen zu legen. Statt pauschaler Zahlungen für Reservekraftwerke sollten Speicher, steuerbare Verbraucher und intelligente Netzinfrastruktur gefördert werden. Diese Technologien reagieren dynamisch auf Bedarf und unterstützen die Netzstabilität ohne langfristige Kostenfallen.
Besonders wichtig sei laut Verband die Technologieoffenheit: Nicht eine zentrale Lösung, sondern ein Mix aus Innovationen müsse die Energieversorgung der Zukunft sichern. Dazu zählen auch sektorübergreifende Ansätze wie Power-to-X, intelligente Ladeinfrastruktur und Demand-Side-Management – allesamt Bausteine, die sich in einem starren Kapazitätsmarkt schwer integrieren lassen würden.
4. Energiewende braucht Effizienz, nicht teure Umwege
Die Debatte über Kapazitätsmärkte fällt in eine entscheidende Phase der Strommarktreform. Der BNE appelliert an die Politik, Weichen in Richtung Zukunft zu stellen: weg von fossiler Reservehaltung, hin zu einem digital gesteuerten, netzdienlichen und klimafreundlichen Energiesystem.
Ein Kapazitätsmarkt, so die Befürchtung, würde nicht nur Geld kosten – sondern auch Zeit, Innovationskraft und Glaubwürdigkeit bei der Umsetzung der Energiewende. Statt neue Abhängigkeiten zu schaffen, brauche es marktwirtschaftliche Anreize, die Investitionen in moderne Energieinfrastruktur ermöglichen. Die richtigen Weichenstellungen könnten nicht nur Versorgungssicherheit garantieren, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken.