Solarstrom direkt ins Bahnstromnetz – ein Projekt mit Signalwirkung
Das Forschungsprojekt PV4Rail bringt eine neue Dynamik in die Diskussion um erneuerbare Energien im Schienenverkehr. Die zentrale Idee: Photovoltaik-Anlagen sollen direkt ins Bahnstromnetz einspeisen – ohne Umweg über das öffentliche Stromnetz. Eine Studie des Fraunhofer ISE zeigt, dass das Potenzial dafür deutlich größer ist als bisher angenommen.
1. Bahnstrombedarf locker abdeckbar
Allein im Umkreis von zwei Kilometern um Bahnstrom-Unterwerke könnten laut Fraunhofer ISE Photovoltaikanlagen mit bis zu 37,6 Gigawatt Leistung installiert werden. Diese könnten jährlich rund 32.900 Gigawattstunden Strom erzeugen – mehr als viermal so viel wie der derzeitige jährliche Stromverbrauch des deutschen Bahnverkehrs. 2023 lag dieser bei etwa 7.500 Gigawattstunden.
Damit zeigt sich: Schon mit einer Teilnutzung der vorhandenen Flächen könnte ein Großteil des Bahnstroms aus direkter Solarenergie stammen.
2. Technik für die Schiene: Herausforderungen und Lösungen
Das Bahnstromnetz nutzt eine besondere Frequenz von 16,7 Hz – anders als das übliche Stromnetz mit 50 Hz. Herkömmliche Wechselrichter sind dafür nicht geeignet. Im Rahmen von PV4Rail wurde daher ein spezieller Zentralwechselrichter entwickelt, der diese Hürde überwindet.
Der Prototyp leistet 2 Megawatt und erreicht einen Wirkungsgrad von 96,6 Prozent. Damit lassen sich je nach Anlagenkonzept verschiedene Einspeisemöglichkeiten nutzen – von der direkten Einspeisung in die Oberleitung bis hin zu Einspeisungen über Unterwerke oder eigene Trafostationen.
Dazu meint Andreas Hensel vom Fraunhofer ISE: „Ein relevanter Teil des Energiebedarfs im Bahnstromnetz könnte jedoch durch Photovoltaik abgedeckt werden, denn das Photovoltaik-Flächenpotenzial längs der Bahnstrecken ist um ein Vielfaches höher als die Menge an Energie, die im Bahnstromnetz gebraucht wird.“
3. Blick nach Österreich: Praktische Beispiele vorhanden
In Österreich wird bereits heute PV-Strom direkt ins Bahnstromnetz eingespeist – mit Anlagen, die mehr als 10 Megawatt leisten. Doch die Übertragbarkeit auf Deutschland ist begrenzt, da die technischen Vorschriften und Netzbedingungen voneinander abweichen.
Für Deutschland bedeutet das: Es braucht eigene Pilotprojekte, angepasste Normen und klare Prozesse für Genehmigung und Netzanschluss, damit auch hier ein flächendeckender Ausbau möglich wird.
4. Doppelte Wirkung: Energiewende trifft Verkehrswende
Die direkte PV-Einspeisung ins Bahnnetz könnte zum Schlüsselprojekt für gleich zwei große Herausforderungen werden: eine nachhaltige Energieversorgung und ein klimafreundlicher Verkehrssektor. Der Einsatz erneuerbarer Energie im Bahnnetz reduziert nicht nur Emissionen, sondern auch langfristig Kosten.
Die Technologien sind vorhanden – jetzt geht es darum, regulatorische Hürden abzubauen, Investitionen abzusichern und die nötige Infrastruktur mit Weitblick zu entwickeln.
Ein weiterer Vorteil: Die räumliche Nähe von Stromerzeugung und -verbrauch minimiert Übertragungsverluste und entlastet das öffentliche Stromnetz. So wird nicht nur die Energieversorgung effizienter, sondern auch die Netzstabilität gestärkt – ein zentraler Aspekt in Zeiten wachsender Elektromobilität.
5. Fazit – Photovoltaik als Zukunftsbaustein für die Bahn
PV4Rail zeigt: Die Integration von Solarstrom in das Bahnstromnetz ist nicht nur technisch machbar, sondern bietet auch wirtschaftlich und ökologisch enorme Chancen. Durch gezielte Nutzung der Flächen entlang der Schiene könnten große Mengen an klimaneutralem Strom direkt dort eingespeist werden, wo er gebraucht wird.
Damit daraus Realität wird, braucht es entschlossenes Handeln von Politik, Bahnunternehmen und Industrie. Wenn Planungssicherheit, technische Standards und Förderung zusammenspielen, kann PV4Rail den Weg in eine neue, nachhaltige Ära des Schienenverkehrs ebnen.
Gleichzeitig eröffnet PV4Rail neue Perspektiven für Flächen, die bisher kaum wirtschaftlich genutzt wurden. Bahntrassen, Randstreifen und technische Zonen werden zu aktiven Energiequellen – ohne zusätzliche Flächenkonkurrenz mit Landwirtschaft oder Wohnungsbau. Das macht das Konzept besonders nachhaltig und gesellschaftlich anschlussfähig.