Branchen-verbände drängen auf echte Reformen bei Netzanschlüssen und Energy Sharing
In der finalen Phase der Beratungen zur Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) wächst der Druck aus der Branche. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht in der Gesetzesreform eine wichtige Chance für den Umbau des Energiesystems – allerdings nur, wenn die richtigen Stellschrauben nachjustiert werden. Besonders bei Netzanschlüssen und dem neuen Energy-Sharing-Modell fordert der Verband präzise gesetzliche Regelungen, mehr Tempo und konkrete Umsetzungsstrategien.
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1. Engpässe beim Netzanschluss blockieren Projekterfolg
Ob Solarparks, Windkraftanlagen oder Speicherprojekte: Der Anschluss ans Stromnetz gilt weiter als Hauptbremse beim Ausbau der Erneuerbaren. Projektentwickler berichten von langwierigen Verfahren, intransparenten Datenlagen und technischen Anforderungen, die je nach Netzbetreiber stark variieren.
„Wir brauchen dringend einheitliche Standards und digitale Schnittstellen, damit Netzanschlüsse nicht länger zum Nadelöhr der Energiewende werden“, betonte BEE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm während der Anhörung im Bundestag. Der Verband fordert zudem eine bundesweite Plattform zur Anzeige verfügbarer Netzkapazitäten – vergleichbar mit einem digitalen Lagebild des Stromnetzes in Echtzeit.
Mit dem neuen §42c EnWG wird erstmals ein gesetzlicher Rahmen für sogenanntes Energy Sharing geschaffen. Die Idee: Lokale Gemeinschaften, Wohnbaugesellschaften oder Genossenschaften erzeugen erneuerbaren Strom und nutzen ihn gemeinschaftlich. Doch der aktuelle Entwurf sieht enge räumliche Grenzen und aufwendige Abrechnungsprozesse vor.
Der BEE sieht darin einen Rückschritt. „Wenn Energy Sharing ein Erfolgsmodell werden soll, müssen Beteiligung und Bürokratie im Gleichgewicht stehen“, so Axthelm. Der Verband fordert daher, die Definition gemeinsamer Verbrauchsorte deutlich zu erweitern – etwa auf ganze Quartiere oder Regionen im ländlichen Raum. Nur so könne dieses Modell skalierbar und wirtschaftlich tragfähig werden.
Noch fehlt eine konkrete Umsetzungsperspektive. Wie genau Energy Sharing technisch ablaufen soll, ist vielfach noch ungeklärt. Dabei könnte gerade diese neue Form der gemeinschaftlichen Stromnutzung einen Impuls für mehr Bürgerbeteiligung geben – vorausgesetzt, die administrativen Hürden werden reduziert und der Zugang praktikabel geregelt.
2. Rahmenbedingungen für Investitionen und Innovationen schaffen
Klare gesetzliche Vorgaben wirken nicht nur ordnungspolitisch, sondern auch wirtschaftlich. Unsicherheiten bei Anschlussbedingungen oder langwierige Genehmigungen verzögern Investitionen, verteuern Projekte und schrecken insbesondere kleinere Marktakteure ab. Der BEE fordert deshalb nicht nur gesetzliche Fristen, sondern auch verbindliche Schnittstellen und transparente Kommunikation zwischen allen Beteiligten.
Vor allem für Bürgerenergieprojekte, kleine Stadtwerke und Genossenschaften sei dies entscheidend, um fair am Markt teilzunehmen. Digitale Lösungen könnten den Aufwand deutlich reduzieren, zum Beispiel durch automatisierte Anschlussanfragen, Echtzeitdaten über Netzkapazitäten oder zentrale Ansprechpartner bei Netzbetreibern.
3. Koordination auf föderaler Ebene entscheidend
Ein weiterer Knackpunkt liegt im föderalen Aufbau der Bundesrepublik. Während der Bund die rechtlichen Grundlagen legt, sind Länder und Kommunen für Genehmigungen und Umsetzung zuständig. Das führt zu regional sehr unterschiedlichen Voraussetzungen – von der Verfügbarkeit von Flächen bis zur Personalausstattung der zuständigen Behörden.
Der BEE plädiert deshalb für eine klare Aufgabenverteilung und gezielte Hilfestellungen für unterversorgte Kommunen. Auch Netzbetreiber bräuchten mehr Unterstützung beim Aufbau digitaler Infrastruktur, um den Anforderungen der Novelle gerecht zu werden.
4. Energy Sharing braucht praxisnahe Regeln
Gerade beim Energy Sharing muss nach Ansicht des BEE der Gesetzgeber nachlegen. Es reiche nicht, das Modell rechtlich zu ermöglichen, denn entscheidend sei, wie praktikabel es in der Umsetzung ist. Ohne transparente Regeln für Abrechnung, Zuständigkeiten und Datenzugang drohe das Konzept an der Realität zu scheitern.
Die Abgrenzung gemeinsamer Verbrauchsorte dürfe nicht zur Hürde für Nachbarschaftsprojekte werden. Der BEE fordert deshalb, auch Mehrfamilienhäuser, Quartierslösungen oder sogar regionale Verbünde als gemeinschaftliche Nutzer zuzulassen. Nur so könne Energy Sharing zu einem tragfähigen Modell für Teilhabe und Dezentralität werden.
5. Letzte Chance für zielführende Nachbesserungen
Die EnWG-Novelle 2025 enthält zweifellos Fortschritte – etwa durch die Einführung des Energy Sharing oder erste Ansätze zur Digitalisierung der Netzanschlüsse. Doch ohne Nachbesserungen in zentralen Punkten könnte sie ihr Potenzial verschenken. Der BEE warnt davor, dass sich bestehende Hindernisse lediglich in neue Gesetzesformulierungen verlagern.
„Die Energiewende braucht Klartext, keine Symbolpolitik“, so Axthelm. Gemeint ist damit, dass der Wille zur Veränderung sich auch in konkreten Vorschriften, praktikablen Verfahren und verlässlichen Fristen widerspiegeln muss. Denn nur dann kann die Novelle das halten, was sie verspricht, und das sind ein spürbarer Schub für den Ausbau der Erneuerbaren sowie eine faire Teilhabe für alle Akteure.


